Kreisgruppe Helmstedt

Merkblatt Nr. 2

Waldökologischer Vergleich von Eichenmischwäldern (Hochwäldern = HW), Mittelwäldern (MW) und Naturwaldreservaten (NWR)

Teil 8: Vögel

Jörg Müller

Ziel der faunistischen Untersuchungen in Eichenwäldern ist die Bewertung verschiedener Nutzungsstrategien. Ausgangspunkt ist die gesellschaftspolitische Zielsetzung, Naturschutzziele in forstliche Bewirtschaftung zu integrieren als eine multifunktionale Forstwirtschaft sowie die Verpflichtung Bayerns zum Erhalt naturnaher Biozönosen in Wäldern im Sinne der Umweltkonferenz 1992 in Rio.

Die berücksichtigten Einzelkriterien sind Artenzahlen, Abundanzen, Dominanzstrukturen, Diversität, Gefährdung, Gildenstruktur und Ähnlichkeit der Zönosen.

Schlussfolgerungen für die waldbauliche Praxis aus dem Blickwinkel der Avizönose

JEDICKE (1998) hat folgende Gefährdungsursachen für biotische Ressourcen durch Forstwirtschaft anhand der Analyse Roter Listen festgemacht:

Kahlschlagnutzung führt zum Bruch von Biotoptraditionen. Die räumliche Entflechtung der verschiedenen Altersstadien im Altersklassenwald vergrößert die horizontale Isolation. Habitatspezialisten finden hier weniger potenzielle Siedlungsfläche.

Die Umwandlung von autochthonen Laub- in Nadelwälder führt zu Bestandsverlusten aller typischen Laubwaldarten.

Für viele Waldvogelarten ist die Bindung an altes und totes Holz belegt. Ein Mangel in intensiv genutzten Wäldern führt zu Artenschwund.

Viele Begleitbaumarten wie Pioniergehölze haben in intensiv genutzten Wirtschaftswäldern nur geringe Anteile. Eine große Zahl von Vogelarten ist aber hieran gebunden.

Das Belassen von Altholzinseln in sonst vollständig aufgenutzten ehemaligen Altbeständen erfüllt die Nachhaltigkeit in Bezug auf Strukturen nicht ausreichend. Ein in Hessen durchgeführtes Altholzinselprogramm wird heute eher als Misserfolg bewertet. Es wird daraus abgeleitet, Waldbestände mit viel Altholz zu erhalten (JEDICKE 1995).

Der Mittelwald hat dies mehr oder weniger immer getan. Durch die Kombination aus Alteichen und Unterholz stehen permanent beide Strukturen zur Verfügung. Eine flächige Trennung wie im konsequent bewirtschafteten Eichenhochwald alter Prägung gibt es im Mittelwald nicht.

Aus den Ergebnissen der Untersuchung lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

Grundsätzlich sind die Eichenmischwälder, egal welcher Nutzungsform, für den Waldvogelschutz von hoher Bedeutung, vergleicht man sie mit beispielsweise ertragstarken Nadelwäldern.

Die Artenvielfalt in den Mittelwäldern ist am größten. Hier werden sehr stark die Bewohner der Strauchphasen und durch die regelmäßigen Unterholzhiebe auch die Arten der lichten Waldphasen oder Lücken gefördert. Die Arten mit Bindung an starke und alte Bäume kommen noch vor, aber in geringeren Dichten.

Seltene und typische Vogelarten temperater Laubwälder wie Mittelspecht und Halsbandschnäpper finden gerade in den dichten Überführungswäldern mit einem hohen Angebot an Altbäumen, Kronentotholz und unverjüngtem Waldboden die bevorzugten Lebensräume.

Wieder andere wie der Pirol bevorzugen dagegen die zweischichtigen Phasen.

Am negativsten sind großflächige Jungwuchsflächen ohne Überhalt zu werten. Sie bieten nur einer ubiquitären und artenarmen Vogelgemeinschaft Lebensraum.

Zur Förderung der diversen typischen Waldvogelgemeinschaften sollte daher der auch in entsprechenden Naturwäldern vorzufindende kleinflächige Phasenwechsel nachgeahmt werden.

Mit Hilfe des aufgestellten Naturnähebewertungsschemas lassen sich größere Eichenbestände rasch auf ihre Naturnähe beurteilen mit Hilfe einer quantitativen Rasterkartierung. Eine solche Bewertung anhand der Strukturgilden ist einfacher und effizienter als die mühevolle Aufnahme oft kryptischer Strukturen wie z.B. Höhlen im Kronentotholz.

Waldbaulich lassen sich folgende Empfehlungen geben:

Lochhieb statt Femelschlag! Dabei dürfen die Lücken durchaus Durchmesser von 30 m haben. In diesen sollte jeder Zwischenständer entfernt sein, um das Stürzen eines Urwaldriesen nachzuahmen. Für einige Jahre ausbleibende Verjüngung kann Rasenameisen und andere wichtige Beutetiere fördern und sollte daher gelassen betrachtet werden.

Auflichtung sollten nicht großflächig erfolgen (Schirmhieb), um spätere Homogenisierung zu vermeiden.

Gerade in den Lücken sollte ein fester Anteil an Kronentotholz als Nist- und Nahrungsstätte belassen werden.

Eichen sind frühzeitig in der Krone auszubauen. Damit können auch im Wirtschaftswald in bemessenen Zeiträumen Kronentotholz und Faulhöhlen entstehen, wie es von Natur aus nur in über 350 jährigen Beständen möglich ist.

Wichtige Mischbaumarten aus Sicht der Waldvögel sind Hainbuche, Weiden, Aspen und Birken. Diese sind wo möglich zu beteiligen.

Alte Bäume mit Sonderstrukturen wie Höhlen, Flechtenbesatz, Rissen und ausgeprägtem Totholz am lebenden Baum sind wo möglich zu erhalten. Hier gilt es eine Kontinuität auf der Fläche zu gewährleisten. Diese Sonderstrukturen entstehen meist zufällig und sind nicht zu prognostizieren. Daher sind so genannte Biotopbaumanwärter nur bei Bäumen mit bereits erkennbaren Absterbeerscheinungen oder Höhlenhäufigkeit auszuwählen.

Kernaussagen der Untersuchung

(Zusammengefasst von Karl-Friedrich Weber)

Artenzahlen

  1. Tendenziell steigt mit zunehmender horizontaler und vertikaler Struktur die Artenzahl auf Grund der steigenden Nischenvielfalt.
  2. Die hohe Konstanz im Naturwaldreservat weist auf stabile Wald- und Avizönosestrukturen hin.
  3. Dominanzstrukturen

  4. Der zonale Eichenwald ist ein, natürlicherweise auch bei der Avifauna, artenreicher Lebensraum.

    Reife Wälder

  5. In reifen alten Wäldern sind die jungen Phasen nur kleinflächig vorhanden.

    Naturnähe

  6. Alle drei Nutzungsformen werden von Waldvogelarten dominiert.
  7. Ein großer Zuwachs von Offenlandarten im MW ist nicht belegbar.
  8. NWR und MW haben annähernd gleiche Anteile an Nachweisen von Zeigern reifer und naturnaher Laubwälder, wobei die Arten reifer Wälder in NWR doppelt so hohe Anteile einnehmen.
  9. Im Winter dominieren im NWR und im MW Zeiger reifer und strukturreicher Wälder. Im HW finden sich hohe Anteile von Waldubiquisten.

    Gefährdung / Rote Liste (RL)

  10. Die nachgewiesenen Arten waren durchweg typische Arten temperater Laubwälder mit hoher Bindung an Strukturreichtum oder Altholz, mit Ausnahme der Dorngrasmücke.
  11. Bei der Häufigkeit der RL-Nachweise stechen die NWR deutlich hervor.
  12. Die NWR heben sich zur Brutzeit signifikant nach oben ab und unterstreichen damit die Bedeutung von Totalreservaten auch in naturnahen Eichenwäldern.

    Europaendemiten

    sind Sommergoldhähnchen, Blaumeise, Sumpfmeise, Gartenbaumläufer, Misteldrossel, Mittelspecht, Ringeltaube, Rotmilan und Halsbandschnäpper, als häufigere Arten Amsel, Heckenbraunelle, Mönchsgrasmücke und Grünling. Für diese Arten tragen wir globale Verantwortung.

    Folgerung

  13. Die Avizönosen der Nutzungsformen MW, HW und NWR unterscheiden sich deutlich.
  14. Für die Artenvielfalt spielt die Mittelwaldbewirtschaftung die größere Rolle.
  15. Für den Schutz typischer und gefährdeter Waldvogelarten spielt zur Brutzeit das Naturwaldreservat die größere Rolle.
  16. Im Winter finden sich höhere Abundanzen in den MW.
  17. In Bezug auf Naturnähezeigeranteile sind MW und NWR ähnlich.
  18. Die hochwaldartige Nutzung kann weder bei der Artenvielfalt, noch bei den Dichten bedrohter, seltener Arten wie Mittelspecht und Halsbandschnäpper mithalten.

    Vergleich der Testflächen zur Analyse der Bedeutung von Waldentwicklungsphasen

    Artenspektren und Dominanzstrukturen

  19. Bei der Artenzahl ragt die Hochwaldfläche heraus.
  20. Nach unten fällt die Eichenjungwuchsfläche heraus.
  21. Untersuchungen in den USA zeigen, dass bei einer Kahlschlaggröße von 2 bis 200 ha keine Unterschiede in der Artenvielfalt von Vögeln mehr auftreten.
  22. Eine entsprechende Räumung des Altbestandes über mehrere Hektar kommt für die Avizönose ökologisch einem Großkahlschlag nahe.
  23. Flächig zweischichtige Bestände weisen die durchschnittlich höchsten Artenzahlen auf.
  24. Begrenzte Auflichtungen führen in erster Linie zu einer Erhöhung der Individuenzahlen.
  25. Hohe Artenvielfalt entsteht dagegen erst bei sehr starker Auflichtung wie im Mittelwald oder durch Bereitstellung weiterer Strukturen (Höhlen, Totholz, Wasser ...).
  26. Im Winter ist der Anteil an Naturnäheanzeigern in den NW und MW am größten.
  27. Einen hohen Anteil an Ubiquisten weisen im Winter nur noch die Eichenjungwuchsflächen auf.
  28. Bestände mit einer hohen Anzahl Naturnäheanzeiger weisen nur z.T. auch hohe Individuendichten auf. Der Grund dürfte in der allgemein hohen Naturnähe der Eichenwälder liegen. Lediglich die Eichenjungwuchsfläche fällt hier heraus. Sie weist insgesamt geringe Individuenzahlen sowie geringe Naturnäheanzeiger auf.
  29. Im Winter sind Jungwuchsflächen nahezu vogelleer.
  30. Unter Betrachtung der Naturnäheindikatoren hat das NWR (Wolfsee) den höchsten Anteil Nachweise für reife, naturnahe Laub- und strukturreiche Mischwälder.
  31. Die oft postulierte Bedeutung des MW für Offenlandarten lässt sich im Brutzeitaspekt auf den untersuchten mittleren Standorten nicht nachvollziehen.

    Biodiversität

  32. MW - jung - und HW ragen deutlich heraus, die Jungwuchsfläche fällt ab. Auch die Verjüngungsfläche liegt relativ niedrig, obwohl sie bei den Abundanzen nach oben herausragt.
  33. Die Vogelzönose reagiert auf Lichtschächte nur durch Abundanzabstieg. Neue Arten treten dagegen erst verzögert hinzu.

    Gefährdung/Rote Listen

  34. Die Extreme (lichte Wälder - dichte Wälder) bringen die höchsten Gefährdungswerte hervor.
  35. Neben den Roten Listen sind auch allgemeine Gefährdungen durch Umweltveränderungen zu berücksichtigen.
  36. Der zunehmende Bestand an Jahresvögel- und Kurzzieherbeständen erhöht den Konkurrenzdruck auf die Weitstreckenzieher und Bodenvögel.
  37. Durch klimatische Veränderungen verschärft sich das Problem. Je wärmer es wird, umso wichtiger wird die Konkurrenz zwischen den Arten.
  38. In kühleren Arealen sind Habitatstrukturen wichtiger. Hier liefern die Mittelwälder einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Weitstreckenzieher.

    Folgerung

  39. Die größte Ähnlichkeit zeigen die Zönosen der lichten auf der einen und der dichten Waldpartien auf der anderen Seite. Relativ isoliert stehen als artenarme Zönose Eichenjungwuchsflächen.
  40. Die naturschutzfachlich wertvollen Phasen sind zur Brutzeit die Waldpartien mit hohen Altholz- und Totholzanteilen. Hier finden sich die meisten Nachweise gefährdeter Arten. Gefolgt werden diese von MW mit jungem Unterwuchs. Im Winter sind es vor allem die zweischichtigen MW mit strukturreichem Unterholz.
  41. Offenlandarten spielen so gut wie keine Rolle bei der Betrachtung der Eichenwaldphasen. Lediglich im jungen MW mit noch jungem Unterholz werden ähnliche Zönosen ausgebildet wie in strukturreichen Waldrändern.
  42. MW mit frischem Unterholzhieb sind am artenreichsten, Eichenjungwuchsflächen ohne Überhälter am artenärmsten.
  43. Der Anteil Standvögel ist in reifen Naturwaldreservaten am größten.
  44. Zur Brutzeit zeigen Vögel in Eichenwäldern eine enge Bindung an Waldstrukturen. Im Winter löst sich diese Bindung weitgehend auf. Allgemein werden hier aber zweischichtige Wälder bevorzugt.
  45. Waldränder scheinen im Winter von Vogelschwärmen bevorzugt zu werden.
  46. Die naturschutzfachliche Beurteilung ergibt allgemein hohe Anteile Naturnäheanzeiger, besonders in den NWR mit hohen Anteilen an Zeigern für reife Wälder.
  47. Vielfaltindizes ergeben hohe Werte für den MW mit frischem Unterholzhieb.
  48. Bei der Anzahl Nachweise gefährdeter Arten ragt das NW Wolfssee deutlich heraus.

    Analyse der Beziehungen von Waldstruktur und Avizönose

  49. Alte Eichen werden von Blaumeise bevorzugt.
  50. Eine negative Korrelation zeigen Erlenzeisig und Turteltaube.
  51. Viele Arten zeigen eine enge Beziehung zur Dichte des Oberholzes.
  52. Stammkletterer wie der Buntspecht, der Mittelspecht, der Gartenbaumläufer, der Grauspecht, der Kleiber und der Waldbaumläufer, Höhlenbrüter wie der Trauerschnäpper und Waldlaubsänger regieren positiv auf dichte Alteichenwälder.
  53. Negativ reagieren Boden- und Strauchbrüter wie Baumpieper, Fitis, Gartengrasmücke und Heckenbraunelle.
  54. Die Mönchsgrasmücke bevorzugt hohe Deckungsgrade der Verjüngung und Strauchschicht.
  55. Grauspecht, Pirol und Zilpzalp präferieren nicht zu niedrige Verjüngungsschicht.
  56. Blaumeise, Kleinspecht, Mönchsgrasmücke, Sommergoldhähnchen und Sumpfmeise bevorzugen waldrandnahe Parzellen.
  57. Trauerschnäpper, Waldlaubsänger und Wendehals finden sich eher im Waldesinnern.
  58. Reisighaufen und Kronenholz aus Fällung fördern den oberflächennahen Strukturreichtum. Hierauf reagieren positiv Sumpfmeise, Tannenmeise und Zaunkönig.
  59. Charakterarten zeigen einen bestimmten Lebensraumtyp oder eine Artengemeinschaft an.
  60. Charakteristisch für die dichten Wälder sind mit abnehmender Zeigerkraft der Gartenbaumläufer, der Trauerschnäpper, der Mittelspecht, der Waldlaubsänger, Waldbaumläufer, Misteldrossel, Kleinspecht, Buntspecht, Kernbeißer.
  61. Keine Zeigerqualitäten lassen die Ubiquisten Kohlmeise und Rotkehlchen, aber auch die Laubwaldvögel Singdrossel, Blaumeise und Halsbandschnäpper erkennen.

    Indikator-Sorten-Analyse (IAA)

    Schwellenwerte für Habitatfaktoren

  62. Der Baumpieper tritt in den Eichenwäldern erst bei einer Überschirmung des Oberholzes von unter 40% auf. An den Waldrändern trat er dagegen kaum auf. Auch auf Flächen mit Unterholzschicht über 10 m trat er nicht mehr auf. Damit ist er ein echter Charaktervogel von ausgeprägten Initiallücken im Eichenwald. Er ist Bewohner von Urwaldlücken in Folge gestürzter Altbäume.
  63. Die Gartengrasmücke wurde ebenfalls als Bewohnerin einer ausgeprägten Strauchschicht in Rastern mit geringer Oberholzdeckung gefunden. HOFFMANN (1979) beschreibt das Brutareal als Stellen mit dichter Vegetation unter aufgelichtetem Baumbestand.
  64. Der Mittelspecht galt lange als typischer Bewohner lichter Eichenmittelwälder. Es zeigt sich, dass er wesentlich häufiger in dichten Eichenwäldern in Form von Überführungswäldern oder NW mit hohem Kronenschluss lebt. Als Stocherspecht steht ihm hier deutlich mehr raue, potenzielle Fouragierfläche zur Verfügung.
  65. Die Fogging- und Flugeklektorenergebnisse zeigen, dass das Xylobiontenangebot im NWR pro Baum identisch, pro Hektar um ein vielfaches größer als im MW ist, da die Zahl alter Eichen höher ist.
  66. FLADE (1994) stuft den Mittelspecht als Leitart von Eichen- und Buchenwäldern mit einem hohen Anteil Kronentotholz ein. JÖBGES & KÖNIG 2001 weisen ebenfalls auf die Bedeutung von Starkästen in alten, grobborkigen Eichen für den Mittelspecht hin. Daneben definieren sie Optimalbiotope als Wälder mit hohem Anteil stehenden Totholzes und grobborkiger Altbäume in extensiver oder Nicht-Nutzung.
  67. Limitierend ist nach COCH 1997 vor allem die verfügbare Oberfläche grober Rinde sowie großer sonnendurchfluteter Kronen.
  68. Aktuell und konsequent genutzte MW sind wohl eher als suboptimaler Lebensraum anzusehen. Strukturreiche Überführungswälder hoher Stammzahl, aber mit großkronigen und kronentotholzreichen Alteichen scheinen optimal. BÜHLMANN & PASINELLI (1996) konnten nachweisen, dass unter einem bestimmten Eichenvolumen pro Hektar seine Dichte abnimmt. Allerdings ist nicht die Zahl der Eichen entscheidend, sondern die Anzahl Alteichen über 50 cm BHD (SPITZNAGEL 1997).
  69. Der Kleiber ist ebenfalls Stammabsucher und zeigt gegenüber der Oberholzdeckung eine positive Korrelation. Ihm genügen aber bereits 55% Oberholzdeckung, um zu einem signifikanten Populationsanstieg zu führen. In Mittelschwaben konnte UTSCH ebenfalls seine Bindung an starke Alteichen zeigen.
  70. Der Pirol bevorzugt im Set der Eichenbestände Mittelwaldflächen mit dichter Unterholzschicht.
  71. Der Zaunkönig erweist sich als guten Bodenstrukturanzeiger. Ab drei Reisighaufen je Hektar wird er signifikant häufiger. ZENKER 1980 beschreibt die Habitatansprüche schlüssig zu den vorliegenden Ergebnissen als straucharme Waldflächen mit Kronentotholz aus Einschlägen.

    Bindung von Vogelarten an Lebensraumstrukturen in eichendominierten Wäldern

    Bestandsstrukturen

    Dichte Waldpartien mit unverjüngtem Waldboden

  72. Hier lebt die Artgemeinschaft reifer Wälder. Mittel- und Buntspecht, Baumläufer und Kleiber erreichen hier ihre höchsten Dichten. Trauer- und Halsbandschnäpper finden hier ihre optimalen Jagd- und Bruthabitate. Der Waldlaubsänger baut seine Nester in die Laubschicht zwischen Eichenkeimlinge. Astige Hainbuchen im Zwischenstand bieten die benötigten Singwarten. Auch der Zaunkönig tritt hier verstärkt auf im feuchten, totholzreichen Altbestand (STEIOF 1991).

    Verjüngung und Sträucher ohne direkte Überschirmung

  73. Diese Phase wird von den Strauchbrütern dominiert: Fitis, Gartengrasmücke, Mönchsgrasmücke und Heckenbraunelle.

    Lichte Phasen ohne Verjüngung

  74. Nach Einschlägen im Hochwald durch Lochhieb oder im MW durch Unterholzhieb, entsteht für einen kurzen Zeitraum eine intensive Besonnung des Waldbodens. Hier startet der Baumpieper seinen Singflug aus den Überhältern und brütet in der Krautschicht. Auch im Urwald besetzt er Lücken im sonst geschlossenen Wald (TOMIALOJC 1985) Erste Verjüngungsbüsche und Sträucher werden von Heckenbraunelle und Gartengrasmücke besiedelt. Die Wacholderdrossel siedelt in den lichten freistehenden Alteichen. Der Wendehals bezieht hier seine Höhle in den obstbaumartigen Altbäumen.
  75. Nach KRISTIN (2003) sind Eichenwälder nach Streuobstwiesen der wichtigste Lebensraum des Wendehalses in der Slowakei.

    Zweischichtige Phasen

  76. Diese Phase präferieren der Pirol, die Ringeltaube, aber auch die Mönchsgrasmücke. Dem Grauspecht genügen die alten Eichen als Bruthabitat. Entsprechendes Totholz findet sich für ihn liegend, in den Kronen und in Form alter abgestorbener Eiche, die durch die dichte Unterschicht übersehen werden.

    Baumarten:

    Eiche

  77. Mit ihrer rauen Borke, der Neigung auch stärkere Totäste länger am Stamm zu halten, häufigen Faulhöhlen, sowie der offenen sonnendurchfluteten Krone mit einem hohen Insektenreichtum stellt sie eine der bedeutendsten Laubbaumarten in Mitteleuropa für die Vogelwelt als Nahrungs- und Bruthabitat dar. Blaumeise, Kernbeißer und Singdrossel erzielen im Untersuchungsgebiet hohe Dichten als echte Laubwaldvögel.
  78. Der Mittelspecht profitiert als Stocherspecht ebenso wie alle anderen Rindenabsucher von der hohen Oberflächenrauhigkeit. Im Winter konzentriert sich die Futtersuche bei den Baumläufern auf Eiche und Buche besonders bei Moosbehang. (CARRASCAL & TELLERIA 1989).

    Weichlaubhölzer

  79. Erle, Birke, Aspe und Weiden stellen durch hohe Vielfalt an Insekten eine breitere Nahrungspalette zur Verfügung.
  80. Im Frühjahr sind die Kätzchen von Weiden von großer Bedeutung für die Meisen.

    Fichte/Kiefer

  81. Typische Präferenzen für in den Eichenwäldern beigemischten Fichten oder Kiefern sind beide Goldhähnchen, Tannen- und Haubenmeise. Die Beimischung von Nadelholz in Eichenwäldern ist für viele Vogelarten ideal. Im Winter liefern diese eine breite Palette an Arthropoden. In Kombination mit über 50 cm starken Eichen ein Spitzenangebot für Insektenfresser im Winter. Kombinationen aus Laub- und Nadelholz führen z.B. beim Sommergoldhähnchen zu den höchsten bekannten Siedlungsdichten in den Karpaten.

    Mikrostrukturen:

    Flechten, Moose

  82. Sie finden sich verstärkt an alten Eichen und in den dichteren, feuchteren Bestandsphasen. Für viele Stammabsucher stellen sie Food bonanzas dar. Spinnen und kleine Arthropoden finden sich hier für Baumläufer, Kleiber, Klein- und Mittelspecht. C TELLERIA (1989) beschreibt die Bedeutung von Moosen und Flechtenbehang vor allem im Winter.

    Höhlen und Risse

  83. Höhlen sind häufig der limitierende Faktor in unseren Wäldern. Erst in jahrzehntelang ungenutzten Wäldern treten so viele Faul-, Riss- und Spechthöhlen auf, dass Halsband- und Trauerschnäpper sowie Meisen entsprechende Dichten aufbauen können. Im Mittelwald dominiert der Star.

    Kronentotholz

  84. Die im Projekt festgestellten Werte von bis zu 39 Fm Totholz pro ha in den Kronen alter Eichen belegen das hohe Angebot im Gebiet. Im morschen Holz lässt sich leichter nach Nahrung suchen. Dabei werden Stamm und Äste von Sommer bis Winter immer weiter nach oben ausgebeutet. Kleinspecht, Mittelspecht, Kleiber, Graumeisen (Sumpf- und Weidenmeise), Baumläufer, hier vor allem der Gartenbaumläufer nutzen dies. Daneben sind diese Äste Trommelplätze für Bunt-, Grün- und Grauspecht. Risse im faulen Holz sind der bevorzugte Brutplatz von Blaumeise und Halsbandschnäpper. Der Mittelspecht legt ebenfalls hier bevorzugt seine Höhle an.

    Reisighaufen/Kronenholz

  85. Kronenholz am Boden fördert den Strukturreichtum. Zahlreiche Bockkäferarten besiedeln die trockenen, warmen Äste, die durch den Verhau in die Luft ragen. Hier jagen bevorzugt Sumpfmeisen sowohl im Sommer, als auch im Winter nach Nahrung. Der Zaunkönig lebt die überwiegende Zeit in Bodennähe.

    Starke Altbäume

  86. Die Tannenmeise zeigt eine Vorliebe für reife Eichenwälder in sonst nadelholzarmen Gebieten.

    Naturnähe als Zielgröße im Waldnaturschutz

  87. Das Hauptanliegen von Schutzbemühungen in Wäldern ist eine Annäherung an die typische Artengemeinschaft der natürlichen Waldzönose.
  88. Neben den einzelnen Strukturen wie Kronentotholz, Höhlen etc. ist es gerade der kleinflächige Wechsel von Entwicklungsstadien, der den Naturwald von vielen Wirtschaftswäldern unterscheidet. Das gilt nach heutigem Kenntnisstand für temperate terrestrische Laubwälder generell.
  89. Die Lückengrößen sind dabei in der Regel nur so groß wie eine oder wenige Altbaumkronen.
  90. Die Beobachtungen von Waldkundlern aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts wurden neu untermauert (ROTH 1932).
  91. KORPEL (1995) beschreibt verschiedene Eichenwälder der Westkarpaten. Durchweg ist ein dichter Bestand meist mit Zwischenschicht vorherrschend. Zerfallsphasen treten in der Regel kleinflächig in Gruppen- bis Horstgröße auf, wenn Urwaldriesen stürzen.