Offener Brief an Herrn Strohmann von der Braunschweiger Zeitung


Räbke, den 25. März 2012

Elm-Land­schafts­schutz­gebiet / Natur­park

Sehr geehrter Herr Strohmann,

vor einigen Wochen haben Sie in Ihrer Kolumne in den Wolfsburger Nachrichten über die Holzarbeiten von Privatleuten im Elm berichtet. Vermisst habe ich dabei Äußerungen über die Holzarbeiten, die auftrags der Stiftungen Niedersächsische Landesforsten und Braunschweiger Kulturbesitz durchgeführt wurden, sowie über den Zustand des Elm als ausgewiesenes Landschafts­schutzgebiet und Naturpark.

Ich bin fast täglich im Elm unterwegs. Der Zustand des Waldes ist durch die intensiven Baumfäll­arbeiten erschreckend. Wenn ich dann lese, dass seitens des Landkreises Helmstedt und durch Tourismus­organisationen in Veröffentlichungen und auf Messen der Elm touristisch beworben wird, kann ich mich nur wundern. Bei der Veröffentlichung eines Leserfotos vor einigen Tagen in Ihrer Zeitung wird der Elm gar als „Toskana des Nordens“ bezeichnet. Ich frage mich nun, wann diese Leute letztmalig im Elm waren. So realitätsfern kann doch niemand sein.

Aus meiner Sicht stellt sich die Wirklichkeit wie folgt dar:

Es werden seit mehr als zwei Jahren ganzjährig, d. h. auch in der Brut- und Setzzeit (1.4. – 15.7.), groß­flächig Holzfäll- mit entsprechenden Folgearbeiten im Elm durchgeführt.

Die Ränder der Straßen und der vorhandenen Wirtschaftswege im Elm wurden bis zu einer Breite von ca. 3 Metern beidseitig rigoros abgeholzt.

Eine Vielzahl neuer Wirtschaftswege wurde durch umfangreiche Rodungen geschaffen.

Die Schneisen im Waldgebiet von und für die schweren Maschinen, wie Harvester etc., wurden mehr als verdoppelt.

An den Rändern wurde die Waldfläche durch Rodungen stark verkleinert, extrem oberhalb von Esbeck.

Die markierten Wanderwege wurden teilweise zerstört, bzw. sind nicht mehr erkennbar, zudem sind einige nicht mehr passierbar. Nach Niederschlägen steigt die Anzahl der nicht mehr begehbaren Wege deutlich an.

Zeitweise sind diese Wege wegen Holzarbeiten gesperrt, häufig erst nachdem man bereits längere Strecken auf diesen Wegen zurückgelegt hat und somit zur Umkehr gezwungen ist. In einigen Fällen wurden die Sperrbänder trotz Beendigung oder längerer Unterbrechung der Arbeiten nicht zeitnah entfernt, das Verbot des Begehens somit nicht aufgehoben.

Der Erholungswert bei Touren ist bedingt durch den Lärm der schweren Maschinen, der Transport­fahrzeuge bzw. der Motor­sägen stark eingeschränkt.

Optisch gleicht der Elm stellenweise einer plantagenmäßig bewirtschafteten Nutzholz­fläche oder durch die meterhoch an den Wegrändern gestapelten Stämme einem Außenlager einer Holzgroßhandlung.

Besonders intensiv ausgebeutete Stellen sehen aus wie nach Durchzug eines Orkantiefs, die Wege und Schneisen weisen tiefe Spuren der schweren Maschinen auf. Teilweise durch Kettenfahrzeuge, deren tiefe Spurrinnen mich an die Panzerstraßen auf Truppenübungs­plätzen erinnern.

Wie durch die Markierungen an den Bäumen ersichtlich, stehen noch weitere umfangreiche Holzfäll­arbeiten an.

Ich habe bis vor etwa 3 Jahren in NRW und Hessen gewohnt. Dort wurden die „normalen“ Wälder nicht so brutal ausgeschlachtet wie der „Naturpark bzw. das Landschafts­schutzgebiet Elm“. Von nachhaltiger Forstwirtschaft keine Spur.

Ich habe in mehreren Schreiben an das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung, einem Schreiben an den Landkreise Helmstedt mit nachrichtlichen Durchschriften an die Stelle Naturpark Elm-Lappwald des Kreises Wolfenbüttel meine Wahrnehmungen geschildert und um entsprechendes Eingreifen gebeten. Die schriftlichen Antworten waren unverbindlich bzw. beschwichtigend, eine gesetzliche Möglichkeit bzw. eine zwingende Notwendigkeit zum Handeln wurde nicht gesehen. Bei nachfolgenden Telefonaten mit diesen Stellen als auch mit den Touristik­verbänden sah die Angelegenheit schon etwas anders aus. Ich hatte den Eindruck, dass auch hier die Vorgehensweise der Stiftungen kritisch betrachtet wurde, man allerdings den Konflikt mit den beiden mächtigen Institutionen vermeiden wollte.

Verwundert bin ich an dieser Stelle auch über das Schweigen der Naturschutz­verbände, wie BUND und NABU. Zumindest sind mir keine Aktionen bekannt.

Für mich sind die unverhältnismäßigen Maßnahmen im Elm ausschließlich den wirtschaftlichen Interessen der beiden Stiftungen geschuldet und stellen m. E. einen Verstoß gegen das BNatSchG dar, insbesondere in der Brut- und Setzzeit. Ein Blick in die Veröffentlichungen, der im Januar 2005 als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründeten Niedersächsische Landesforsten, macht das unverantwortliche Handeln verständlich. Die Landesforsten ist verpflichtet durch aktiven Personalabbau, Marketing und Rationalisierung Gewinne zu erzielen. Bis zum Jahr 2014 sind 132 Millionen Euro an das Land abzuführen. Entstandene Verlustzahlen werden nicht vom Land übernommen, sondern sind vielmehr über Kredite zu finanzieren bzw. über Rücklagen auszugleichen. Diese vorgenannten Verpflichtungen sollen nicht zuletzt über Erlöse aus der Holzwirtschaft erfüllt werden, die Natur bleibt dabei auf der Strecke. Daher ist auch verständlich, dass die Preise für die privaten Holzerwerber jährlich drastisch steigen. Zudem werden bei Auktionen Spitzenpreise von bis zu Euro 2.500 je Stamm erzielt. Die gewerblichen Abnehmer beschränken sich längst nicht mehr nur auf Deutschland. Wie anhand der Kennzeichen bzw. Aufschriften der Fuhrunternehmen ersichtlich, werden Stämme aus dem Elm via Hamburger Hafen bis nach China verschifft.

Ob ein entsprechender wirtschaftlicher Druck bei der Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz gegeben ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings sehe ich die öffentlichkeits­wirksamen Auftritte von Verantwortlichen der Stiftung bei Spenden an Organisationen oder Einrichtungen zunehmend kritisch. Könnte doch ein nicht unerheblicher Teil dieser Mittel aus dem Raubbau im Elm stammen!

Dass ich mit meiner Meinung über den unverantwortlichen Umgang mit der Natur im Elm nicht allein stehe, habe ich in zahlreichen Gesprächen vor Ort mit Wanderern, Joggern und Radfahrern erfahren. Von diesem Personenkreis hatte niemand Verständnis für die Vorgehensweise der Stiftungen bzw. der beauftragten Firmen. Selbst bei den Privatleuten, die ihre Stämme vor Ort im Wald zuschnitten und den gewerblichen Forstarbeitern habe ich überwiegend kritische Stimmen zur Art und zum Umfang der Abholzung vernommen.

Wie ich aus Ihren Veröffentlichungen in der Zeitung entnehmen konnte, sind Sie sehr naturverbunden und häufig (mit dem Rad?) in der Natur unterwegs. Daher bitte ich Sie, Ihren Einfluss geltend zu machen, dass seitens der Presse über die Zulässigkeit der Holzfällaktionen im Elm recherchiert und berichtet wird.

Mit freundlichen Grüßen

Reinhard Höke aus Räbke


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